Fachliche Prüfung: Dr. Christian Keinki
Veröffentlicht am 16. März 2020
In diesem Artikel erfährst Du:
- welche Wirkung eine Krebsdiagnose auf Dich haben kann
- wie die Phasen der Verarbeitung aussehen
- was Dir bei der Verarbeitung hilft
Bestimmt hattest Du einen Plan, wie Du Dein zukünftiges Leben gestalten wolltest. Vielleicht wolltest Du eine Familie gründen, Karriere machen oder Dich intensiv um Deine Enkel kümmern? Und mit der Diagnose fiel womöglich alles wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
Eine Krebsdiagnose ist schwer zu verarbeiten. Vieles ist nicht mehr so selbstverständlich und unbeschwert wie zuvor. Einige Dinge werden jetzt besonders wichtig: positive Beziehungen, gute Gedanken und Erlebnisse, die Dir Halt geben.
Wichtig: Sprich mit Deinem Behandlungsteam über Ängste und Sorgen. Es kann Dir Tipps und Therapien vorschlagen. Eventuell helfen Dir Gespräche mit psychologischem Fachpersonal oder Treffen mit anderen Menschen in Deiner Situation, beispielsweise in einer Selbsthilfegruppe.
Die Diagnose Krebs kann Dich sehr erschüttern
Physisch wie psychisch erlebst Du nach der Krebsdiagnose womöglich die größte Herausforderung Deines Lebens. Du bist unvorbereitet in eine bedrohliche Krise gestürzt. Möglicherweise bist Du nun mit einem Gefühlschaos aus Verzweiflung, Todesangst, Ohnmacht, Mutlosigkeit und Resignation konfrontiert.
Deine Gefühle können häufig wechseln, ebenso wie Therapieerfolge und mögliche Rückschläge. Es ist wichtig, dass Du weißt, dass Stimmungsschwankungen in dieser Situation absolut normal sind. Es hilft Dir jetzt, wenn Dein Umfeld Verständnis für Deine Gefühle zeigt.
5 Phasen der Krankheitsverarbeitung
Es lassen sich 5 Phasen der Verbreitung einteilen. Sie führen zu einer schrittweisen Anpassung an Deine veränderte Lebenssituation. Jeder Mensch erlebt die einzelnen Phasen ganz unterschiedlich. Je nach Krankheitsverlauf und Heilungsaussicht können sie:
- unterschiedlich lange anhalten
- sich wiederholen
- unterschiedlich stark ausfallen
- parallel verlaufen
Phase 1 – aktive Verweigerung
Phase 1 ist eine Schockphase. Sie ist wichtig, um Dich vor unerträglichen Ängsten zu schützen. Sie gibt Dir Zeit, die Situation zu verstehen. Sie beinhaltet Gedanken wie „Das muss ein Fehler sein”.
In dieser Phase brichst Du vielleicht häufig das Gespräch mit anderen über Deine Erkrankung ab. Du möchtest Dich eigentlich nicht mit diesem Thema beschäftigen, lieber dem Ernst der Lage ausweichen. Möglicherweise lehnst Du eine Behandlung in dieser Phase noch ab. Du brauchst Zeit, die Diagnose zu verarbeiten.
Phase 2 – Zorn
Dann kommt der Zorn und Gedanken, wie „Warum gerade ich?” Der Zorn ist meist Ausdruck von empfundener Hilflosigkeit – die in dieser Situation völlig normal ist.
Deine Wut kann sich gegen das Behandlungsteam, gegen Deine Familie oder auch gegen alle Gesunden richten. Es kann sein, dass Du die Kompetenz Deiner Ärztin oder Deines Arztes anzweifelst. Vielleicht suchst Du andere Fachleute für eine Zweitmeinung auf.
Es kann wichtig für Dich sein, dass Dein Gegenüber Deinen Zorn nicht persönlich nimmt. Denn was Du jetzt brauchst, sind vor allem viel Verständnis und Zeit.
Phase 3 – Verhandeln
Vielleicht versuchst Du mit der Situation zu verhandeln. Du suchst nach Angeboten im Tausch für Deine Gesundheit. Vielleicht geht die Krankheit ja wieder weg, wenn Du etwas dafür tust? Oder vielleicht wünschst Du Dir irgendeine Gegenleistung für den hohen Preis, den Du bezahlst. Gleichzeitig verspürst Du Schuldgefühle, wie „Hätte ich ein besseres Leben geführt, wäre ich jetzt nicht krank”. Diese Phase ist der Beginn der Akzeptanz.
Phase 4 – Depression
Inzwischen bewirken die Therapien und/oder die Verschlechterung der Krankheit Veränderungen bei Dir. Vielleicht:
- fallen Dir Deine Haare aus
- kannst Du nicht mehr arbeiten
- hat sich Deine Partnerschaft verändert.
Dir werden immer mehr Verluste bewusst und Du gerätst in eine depressive Verstimmung.
Was Dir jetzt helfen kann, ist Dir Deiner verbliebenen Fähigkeiten oder neuen Möglichkeiten bewusst zu werden. Vielleicht machen Dich Ablenkung und Aufheiterung im Moment nur traurig und Du brauchst vor allem Verständnis für Deine Ängste und Sorgen.
Phase 5 – Bewusste Annahme / Akzeptanz
In der Phase der Akzeptanz reagiert jeder unterschiedlich. Es kann eine Phase der Neuorientierung sein, des unvoreingenommenen Nachdenkens. Manche Menschen entwickeln ein neues Selbstverständnis und nehmen die veränderte Situation an.
Andere, für die es keine Heilung mehr gibt, fühlen sich möglicherweise gänzlich frei von Emotionen. Sie brauchen sehr viel Ruhe.
Wieder andere nehmen sich die Zeit, besonders schöne Momente zu schaffen. Jede Stunde, jeder Tag kann jetzt eine ganz besondere Bedeutung haben.
Strategien zur Verarbeitung
Leider gibt es kein Patentrezept zur Verarbeitung Deiner Krankheit. Du erlebst Deine ganz eigene Krise und nur Du kannst passende Möglichkeiten zur Bewältigung finden.
Es gibt zwei grundlegende Prozesse zur Bewältigung veränderter Lebenssituationen. In der Fachsprache werden sie „Coping“ genannt, abgeleitet von „to cope” = mit etwas fertig werden. Manche Menschen entwickeln ein aktives Coping, andere eher ein passives.
Passives Coping
Eine ängstliche oder auch lebensverneinende Grundhaltung gegenüber Deiner Situation ist eher ungünstig für Deine Krankheitsverarbeitung. Deine Psyche und Lebensqualität leiden, wenn Du Dich auf negative Gedanken konzentrierst.
Es tut Dir nicht gut, wenn Deine Gedanken nur noch um die Krankheit kreisen. Umso mehr, wenn Du vielleicht innerlich aufgegeben hast und Dich von Deinen Mitmenschen zurückziehst.
Das aktive Coping
Mit einer aktiven, selbstbewussten Einstellung fühlst Du Dich möglicherweise nicht länger der Krankheit ausgeliefert. Du nimmst das Steuer in die Hand, indem Du Deine Gedanken bewusst lenkst. Damit kannst Du vor allem Deine Lebensqualität positiv beeinflussen. Aktives Coping kann zum Beispiel darin bestehen:
- Dich genau über die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten zu informieren
- Deine Bedürfnisse gegenüber dem Behandlungsteam, der Familie, dem Arbeitgeber zu vertreten
- Dich mit einem Hobby, Freunden, einem Hörbuch oder einem Spaziergang von Grübeleien abzulenken
- offen mit vertrauten Menschen über Deine Gefühle und Deine Situation zu sprechen
- Hilfsangebote anzunehmen oder Dich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen
- Dich mit Deinen Ängsten auseinanderzusetzen
- Dir realistische Ziele setzen und Prioritäten zu überdenken
Zusammengefasst
Nach der Diagnose musst Du Deine neue Situation verarbeiten. Es können folgende Phasen auftreten: Verweigerung, Zorn, Verhandeln, Depression, Akzeptanz. Es kann Dir helfen, wenn Du selbst Dinge unternimmst, die die Phasen Deiner Verarbeitung unterstützen.
Das kannst Du tun
- Sprich mit Deinem Behandlungsteam und Deinen Angehörigen über Deine Gefühle.
- Pflege einen gesunden Lebensstil, ohne Dich zu überfordern.
- Probiere verschiedene Dinge aus, die Dir bei negativen oder schnell wechselnden Gefühlen guttun.
- Vielleicht hilft Dir auch eine Themenreise in Mika. Du findest dort Angebote:
- zum Umgang mit Sorgen und Ängsten
- zur Entspannung und Bewegung
- zur besseren Kommunikation mit Deinem Behandlungsteam
- und viele mehr
Quellen
- Krankheitsbewältigung Belastungen verkraften, Orientierung schaffen, Lebensqualität gewinnen, 21.08.2016 in Krebsinformationsdienst: Krankheitsverarbeitung: Krebs verkraften und bewältigen, abgerufen am 14.02.2020 von www.krebsinformationsdienst.de
- Strobl, Carola, Lebenssituation von Krebspatienten, Institut für Psychosomatik und Verhaltenstherapie IPVT, abgerufen am 14.02.2020 von www.psychosomatik.at