Fachliche Prüfung: Dr. Christian Keinki
Veröffentlicht am 12. September 2023
Nach dem Lesen des Artikels weißt Du,
- was neuropathische Schmerzen infolge einer Krebstherapie sind
- welche Medikamente die Beschwerden verringern können
- was Du tun kannst, um die Schmerzen zu lindern
Es kann sein, dass Du nach der Krebstherapie ein unangenehmes Gefühl an Händen oder Füßen spürst. Diese Begleiterscheinung nennt man auch neuropathischer Schmerz oder (Poly-)Neuropathie.
Taubheitsgefühle oder Schmerzen schränken den Alltag und die Lebensqualität mitunter ein. Manchmal klingen sie mit der Zeit wieder ab, sie können aber auch dauerhaft bestehen bleiben. Es gibt unterstützende Maßnahmen zur Linderung Deiner Beschwerden.
Was sind Neuropathien?
Durch die Krebstherapie oder den Tumor selbst können Nerven geschädigt werden. Dann können sie Reize nicht mehr wie gewohnt verarbeiten. Meist betreffen die Nervenschädigungen Hände und Füße, sehr selten sind das Gehirn oder innere Organe betroffen.
Häufig kannst Du auch auf den Begriff „Polyneuropathie“ stoßen. Das „Poly“ steht dabei für mehrere Nerven. Meist sind bei Neuropathien bei Krebs mehrere Nerven betroffen, sodass Du auch Polyneuropathie sagen kannst.
Arten von Neuropathie
Dein Behandlungsteam verwendet möglicherweise einen anderen Begriff, um Deine Nervenschmerzen zu beschreiben. Hier ist ein kurzer Überblick über die Begriffe, die Sie möglicherweise hören:
- Periphere Neuropathie: wenn die Nerven in Deinen Füßen, Händen und Gliedmaßen nicht richtig funktionieren. Das führt zu Kribbeln, Taubheit und Schwäche.
- Autonome Neuropathie: betrifft die Nerven, die automatische Körperfunktionen wie Herzschlag, Verdauung und Schwitzen steuern. Das führt zu Problemen bei diesen Prozessen.
- Sensorische Neuropathie: Hier funktionieren die Nerven, die für die Wahrnehmung von Berührungen und Schmerzen zuständig sind, nicht richtig. Das führt zu Empfindungen wie Kribbeln, Taubheit oder Schmerzen im Körper.
- Mononeuropathie: Bei der peripheren Neuropathie ist nur ein Nerv betroffen.
- Mononeuritis multiplex: In verschiedenen Gebieten des Körpers ist jeweils nur ein Nerv betroffen.
- Polyneuropathie: Bei einer peripheren Neuropathie sind mehrere Nerven im Körper betroffen.
Die Polyneuropathie ist die häufigste Form der Neuropathie. In der Regel sind zuerst die längsten Nerven betroffen, wobei die Symptome meist in den Füßen beginnen.
Symptome von Neuropathien an Sinnesnerven
Sinnesnerven sind am häufigsten von Neuropathien betroffen. Du spürst das anfangs daran, dass Deine Hände oder Füße:
- kribbeln oder brennen
- sich pelzig oder taub anfühlen
- schmerzen
- ungewöhnlich überempfindlich gegenüber Reizen sind
Schreitet die Nervenschädigung fort, verlierst Du das Gefühl für Schmerzen oder Temperaturen. Deine Feinmotorik kann eingeschränkt sein. Dann fallen Dir alltägliche Aufgaben, wie Greifen oder Gehen, vielleicht schwerer. Auch steigt die Gefahr von Stürzen sowie Wundinfektionen, weil Bagatellverletzungen nicht bemerkt werden.
Symptome von Neuropathien an Nerven der Muskeln
Wenn Nerven an den Muskeln geschädigt sind, können folgenden Symptome auftreten:
- Muskelzucken
- Muskelkrämpfe
- Kraftlosigkeit in Armen und Beinen
Möglicherweise fallen Dir die täglichen Verrichtungen deshalb schwerer.
Symptome von Neuropathien an Hirnnerven oder Organen
Sehr selten betreffen die Nervenschädigungen das Gehirn oder die Organe. Geschieht dies dennoch, kann es je nach betroffenem Nerv zu den folgenden Symptomen kommen:
- Ohrgeräusche, Hörverlust
- Sehstörungen
- Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen
- Kopfschmerzen
- Antriebslosigkeit, anhaltende Müdigkeit
- Verstopfungen
- Blutdruckprobleme
Faktoren, die die Entstehung von Neuropathien fördern
Du hast ein erhöhtes Risiko, Neuropathien zu entwickeln, wenn einer oder mehrere der folgenden Punkte auf Dich zutreffen:
- Diabetes mellitus
- Schilddrüsenunterfunktion
- Bindegewebserkrankungen
- entzündliche-rheumatische Erkrankungen
- Nierenschwäche
- Vitaminmangel (vor allem B1, B6, B12)
- häufiger Alkoholkonsum
- bestimmte genetische Vorprägungen
Kann man Neuropathien vorbeugen?
Wichtig ist das Gespräch mit Deinem Behandlungsteam. Frage sie nach dem Nutzen-Risiko-Verhältnis einer geringeren Medikamentendosis, einer Therapiepause oder Alternativtherapie. Denn Nervenschmerzen vorzubeugen, ist bisher kaum möglich.
In einer Studie konnten tiefgefrorene Handschuhe und Socken während der Chemotherapie neuropathische Symptome verringern. Sie reduzieren die Durchblutung und damit den Durchfluss der Chemotherapie an Händen und Füßen. Allerdings sind nicht alle Daten positiv oder belastbar, sodass Nutzen und Risiken nicht zweifelsfrei belegt sind. Fachleute empfehlen hingegen im Vorfeld ein regelmäßiges Bewegungstraining. Hierdurch lassen sich Beweglichkeit, Stabilität und Motorik trainieren.
Medikamente gegen Neuropathien
Leider helfen klassische Schmerzmittel kaum gegen Neuropathien. Mitunter können Dir folgende Medikamente Linderung verschaffen:
- Medikamente gegen Depressionen, wie z. B. Duloxetin
- Medikamente gegen Krampfleiden, wie z. B. Pregabalin
- Opioide
- ergänzend schmerzlindernde Pflaster oder Salben
Unterstützende Therapien
Je nach Beschwerden werden als unterstützende Maßnahmen im Sinne einer Bewegungstherapie angeboten:
- Balancetraining
- sensomotorisches Training
- Koordinationstraining
- Feinmotoriktraining
- Vibrationstraining
Hierbei geht es um die Stärkung von Sinnen und Muskeln, Beweglichkeit, Lebensqualität und Gleichgewicht. Bei einigen Menschen können auch physiotherapeutische, ergotherapeutische Maßnahmen oder physikalische Therapien, wie zum Beispiel Elektrotherapie, förderlich sein.
Zusammengefasst
Neuropathische Schmerzen können in Zusammenhang mit einer Chemotherapie auftreten. Sie betreffen vorwiegend die Sinnesnerven und führen zu Taubheitsgefühlen oder Schmerzen. Durch regelmäßige Bewegung, unterstützende Therapien und Medikamente kann Deine Lebensqualität verbessert werden. Der enge Austausch mit Deinem Behandlungsteam ist dabei sehr wichtig.
Das kannst Du tun
- Schütze Dich vor Kälte und Hitze.
- Sorge für sicheren Stand.
- Lasse Hände und Füße auf Verletzungen untersuchen.
- Vermeide schlecht sitzende Kleidung.
- Sorge für genug Bewegung.
- Scheue Dich nicht, Dir auch psychologische Hilfe im Umgang mit Schmerzen oder Polyneuropathie zu holen, beispielsweise durch eine psychoonkologische Fachkraft.
Quellen
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