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Krebs und Familienplanung? Ein Überblick

Krebs und Familienplanung? Ein Überblick

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Autor: Dr. Volker Henn
Fachliche Prüfung: Dr. Christian Keinki
Veröffentlicht am 9. Februar 2024
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In diesem Artikel erfährst Du

  • wie eine Krebserkrankung die Fruchtbarkeit beeinflussen kann
  • welche Überlegungen vor der Therapie wichtig sind
  • was bei der Familienplanung nach einer Krebserkrankung zu beachten ist
  • wo Du Unterstützung und Beratung bekommst

Die Krebserkrankung verlangt Dir gerade sicher viel ab. Dennoch kann es wichtig sein, dass Du Dir Gedanken über die Familienplanung machst: Manche Krebsarten und Therapien können nämlich Deine Fruchtbarkeit oder Zeugungsfähigkeit beeinträchtigen.

Sprich mit Deinem Behandlungsteam: Es kann Dir Maßnahmen vorschlagen, die Deinen Kinderwunsch nach der Krebstherapie ermöglichen können.

Wie wirken sich Krebstherapien auf die Fruchtbarkeit aus?

Viele Krebstherapien beeinträchtigen auch gesunde Zellen. Vor allem die, die sich häufig teilen – Deine Fortpflanzungsorgane sind dabei besonders gefährdet.

Das Risiko hängt aber stark von der Art der Therapie ab. Eine Rolle spielen:

  • die eingesetzten Wirkstoffe
  • die Dosierung
  • der Ort des Eingriffs.

Sprich auch zu diesem Thema mit Deinem Behandlungsteam: Es kann Dir Dein Risiko durch die für Dich empfohlene Therapie genau erklären.

  • Chemotherapien können Eierstöcke, Hoden und die Gebärmutterschleimhaut schädigen.
  • Wenn Bestrahlungen im Bauch- und Beckenbereich notwendig sind, können auch die Fortpflanzungsorgane geschädigt werden.
  • Antihormontherapien führen bei Männern und Frauen dazu, dass das Zeugen eines Kindes nicht möglich oder ratsam ist. Nach Absetzen der Therapie kehrt die Fruchtbarkeit in der Regel zurück. Bei Frauen über 30 steigt nach einer Antihormontherapie jedoch das Risiko, vorzeitig in die Wechseljahre zu kommen.
  • Operationen im Bauch- oder Beckenbereich können die Fortpflanzungsorgane beeinträchtigen.

Welche Operationen beeinträchtigen die Fruchtbarkeit?

Bei manchen Krebsoperationen besteht die Möglichkeit, dass Deine Fruchtbarkeit dauerhaft beeinträchtigt wird. Dein Behandlungsteam wird jedoch versuchen, das Risiko durch geeignete Operationsmethoden zu verringern.

  • Eierstockkrebs: In frühen Stadien muss meist nur der befallene Eierstock entfernt werden. Der zweite Eierstock produziert dann weiterhin Eizellen, die eine Schwangerschaft ermöglichen.
  • Gebärmutterhalskrebs: Der Tumor kann oft so operiert werden, dass die Fruchtbarkeit erhalten bleibt. In fortgeschrittenen Stadien muss jedoch das gesamte Organ entfernt werden – die Zeugungsfähigkeit geht dann verloren.
  • Gebärmutterkrebs: In der Regel muss Dein Team die gesamte Gebärmutter entfernen. Eine Schwangerschaft ist dann nicht mehr möglich.
  • Hodenkrebs: Oft bleibt ein Hoden erhalten, der weiterhin Spermien erzeugt. Die Qualität der Spermien kann zwar beeinträchtigt sein; eine künstliche Befruchtung ist damit aber möglich.
  • Prostatakrebs: Wenn die Prostata entfernt werden muss, gehen auch die Samenblasen verloren. Zusätzlich kann keine Samenflüssigkeit mehr gebildet werden. Du bist dann nicht mehr zeugungsfähig.

Wie kannst Du vorsorgen?

Deine Fruchtbarkeit ist durch die Erkrankung oder Therapien gefährdet und Du wünschst Dir Kinder? Dann solltest Du rechtzeitig vorsorgende Maßnahmen ergreifen.

Es gibt Dinge, die helfen können, mögliche Schäden durch die Therapie zu mindern. Sicherer ist es jedoch, Keimzellen oder Gewebe aus den Fortpflanzungsorganen zu entnehmen. Diese Keimzellen oder das Gewebe können dann tiefgefroren über Jahre gelagert werden. Der Fachbegriff für dieses Verfahren lautet Kryokonservierung.

Diese Maßnahmen sind am sinnvollsten vor Beginn der Therapie.

Einige sind kurzfristig möglich, andere benötigen eine Vorlaufzeit von mehreren Wochen. Bedenke auch, dass diese Maßnahmen Dich körperlich und seelisch belasten können. Dein Behandlungsteam kann Dir alle Vor- und Nachteile erläutern.

Folgende Maßnahmen sind möglich:

  • Eizellen einlagern: Eizellen können entnommen und viele Jahre lang aufbewahrt werden. Zuvor erhältst Du eine Hormonbehandlung, die bis zu drei Wochen dauern kann. Die eingelagerten Eizellen können dann für eine künstliche Befruchtung verwendet werden.
  • Eierstockgewebe einlagern: Es ist auch möglich, Gewebe aus den Eierstöcken zu entnehmen und tiefgefroren zu lagern. Nach der Krebstherapie wird Dir das Gewebe wieder eingepflanzt: Es bildet dann im Körper neue Eizellen. Dieser Eingriff ist auch kurzfristig möglich.
  • Eierstöcke verlagern: Vor einer Strahlentherapie kann ein Eingriff die Eierstöcke an eine Stelle verlagern, an dem sie vor der Strahlung geschützt sind. Nach der Bestrahlung werden die Eierstöcke wieder an ihre ursprüngliche Stelle zurückverlagert.
  • Eierstöcke schützen: Medikamente können die Bildung weiblicher Geschlechtshormone vorübergehend hemmen. Die Eierstöcke sind dann weniger aktiv und können die Belastungen einer Chemotherapie besser überstehen.
  • Spermien- oder Hodengewebe einlagern: Bei Männern können Spermien eingefroren und später für eine künstliche Befruchtung verwendet werden. Ist ein Samenerguss nicht mehr möglich, kann auch Gewebe aus dem Hoden entnommen und eingefroren werden.

Familienplanung nach der Krebstherapie

Nach einer Krebserkrankung solltest Du Dir erst einmal Ruhe gönnen. Dein Körper und Deine Seele brauchen vielleicht noch einige Zeit, um das Geschehene zu verarbeiten. Als Anhaltspunkt gilt, dass Du etwa zwei Jahre bis zu einer Schwangerschaft warten solltest. Letztlich ist es aber Deine Entscheidung, ob und wie lange Du Dir Zeit nimmst.

Können bei einer Schwangerschaft nach Krebs medizinische Probleme auftreten?

Das ist eher selten. Wenn Dein Gebärmutterhals betroffen war, müssen bei der Geburt eventuell besondere Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden. Aber darauf ist Dein Geburtsteam gut vorbereitet. Ansonsten müssen in der Regel weder Mutter noch Kind mit erhöhten Risiken rechnen.

Dies wird durch Studien bestätigt. Sie fanden starke Hinweise, dass

  • eine Schwangerschaft nicht das Risiko erhöht, dass Du einen Krebs-Rückfall erleidest.
  • Kinder kein erhöhtes Krebsrisiko haben, wenn sie aus einer künstlichen Befruchtung stammen.
  • bei einer Schwangerschaft nach einer Krebserkrankung die Keimzellen nicht beeinträchtigt sind und das Kind mit hoher Wahrscheinlichkeit gesund ist.

Wo findest Du Beratung und Unterstützung?

Die erste Anlaufstelle ist Dein Behandlungsteam: Es kann Dich genau über mögliche Risiken und Optionen aufklären. Die Entnahme und Einlagerung von Keimzellen kann in spezialisierten Kliniken und Praxen erfolgen. Und wenn Du psychologische Unterstützung brauchst, findest Du meist eine Beratungsstelle in Deiner Nähe.

  • FertiPROTEKT Netzwerk e.V.: Ein Zusammenschluss von über 100 Zentren im deutschsprachigen Raum, die auf Kryokonservierung und künstliche Befruchtung spezialisiert sind.
  • Psychosoziale Krebsberatungsstellen helfen Dir, Dein seelisches Gleichgewicht wiederzufinden. Der Krebsinformationsdienst bietet eine Internetseite an, auf der Du nach Beratungsstellen in Deiner Nähe suchen kannst.
  • Die Adressenliste der Landeskrebsgesellschaften bieten Dir eine weitere Möglichkeit, nach Hilfe in Deiner Nähe zu suchen.
  • Informationen zu Kinderwunschbehandlungen findest Du auch bei ProFamilia und beim Beratungsnetzwerk Kinderwunsch Deutschland (BKiD)

Zusammengefasst

  • Chemotherapien, Bestrahlungen und manche Operationen können Deine Fortpflanzungsorgane schädigen und Deine Zeugungsfähigkeit beeinträchtigen.
  • Du solltest Dich vor dem Beginn der Krebstherapie über mögliche Risiken informieren. Sprich mit Deinem Behandlungsteam – es wird Dir alles genau erklären.
  • Das Einfrieren von Keimzellen und Keimgewebe ist ein erprobtes Verfahren, um nach der Krebstherapie Deinen Kinderwunsch zu erfüllen.
  • Wenn Du nach einer Krebserkrankung schwanger wirst, musst Du in der Regel keine erhöhten Risiken für Dich oder Dein Kind befürchten.

Hier kannst Du weitere Infos zum Thema finden:

Quellen

  • Alur-Gupta, S., Fruchtman, H., & Paroder, V. (2023). Fertility-sparing options for cancer patients. Abdominal Radiology (New York), 48(5), 1618–1628. doi.org
  • Bewtra, C., & Acharya, N. (2023). Preservation of Fertility in Cancer Patients: A Narrative Review. Cureus, 15(10), e47910. doi.org
  • Hong, Y. H., Park, C., Paik, H., Lee, K.-H., Lee, J. R., Han, W., Park, S., Chung, S., & Kim, H. J. (2023). Fertility Preservation in Young Women With Breast Cancer: A Review. Journal of Breast Cancer, 26(3), 221–242. doi.org
  • Varlas, V. N., Borș, R. G., Crețoiu, R., Bălescu, I., Bacalbașa, N., & Cîrstoiu, M. (2023). Fertility-sparing surgery: A hopeful strategy for young women with cancer. Journal of Medicine and Life, 16(7), 974–980. doi.org
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Geschrieben von Dr. Volker Henn
Medizinischer Autor
Dr. Volker Henn ist Biochemiker und war lange in der Grundlagenforschung tätig. Heute arbeitet er als freier Wissenschaftsautor in Berlin. Neben dem Thema Krebs beschäftigt er sich vor allem mit Gen- und stammzelltherapien.
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