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Fakten-Check: Fördern Milchprodukte das Krebswachstum?

Fakten-Check: Fördern Milchprodukte das Krebswachstum?

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Autor: Dr. Volker Henn
Fachliche Prüfung: Dr. Christian Keinki
Veröffentlicht am 4. Mai 2022
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Grundsätzlich kannst Du Dir merken: Milch und Milchprodukte, solange Du sie nicht übermäßig konsumierst, sind unbedenklich und gesund. 

In diesem Artikel erfährst Du:

  • welche Krebsarten im Verdacht stehen durch Milchprodukte beeinflusst zu werden
  • wie viel und welche Milchprodukte Du ohne Bedenken zu Dir nehmen kannst
  • was es mit einem möglichen Erreger in der Milch auf sich hat

Wenn Du heute schon Milch getrunken, einen Joghurt gelöffelt oder eine Scheibe Käse gegessen hast, bist Du damit nicht allein: Ein Mensch in Europa verzehrt durchschnittlich jeden Tag über einen halben Liter Milch, entweder pur oder in Milchprodukten. Prinzipiell eine Gute Idee, sind Milchprodukte doch wichtig, um Deinen Körper mit Eiweiß, Calcium, Vitamin B2, Jod und weiteren Nährstoffen zu versorgen.

Doch gerade im Hinblick auf das Krebswachstum kannst Du in den Medien auf Berichte stoßen, wonach Milch eventuell einen negativen Einfluss haben könnte.

Beispielsweise erkranken Frauen in China seltener an Krebs als Frauen der westlichen Welt. Und dort sind traditionsbedingt kaum Milchprodukte in der täglichen Nahrung. Auch Einzelstudien oder Beobachtungen einzelner Personen scheinen die These zu stützen.

Bei solchen Beobachtungen ist jedoch Vorsicht geboten. Die Lebensweise in asiatischen Ländern unterscheidet sich in so vielen Aspekten vom Leben in Europa und den USA, sodass hier kein eindeutiger Zusammenhang gesichert werden kann. Auch Einzelstudien und individuelle Beobachtungen sind keine Beweise, sondern geben lediglich Hinweise. Sie können verzerrt oder zufällig sein oder unterliegen unbekannten Faktoren.

Was stimmt wirklich?

Fachleute haben im Jahr 2021 insgesamt 41 Studien zusammengefasst, an denen über eine Million Menschen teilgenommen haben. Das Ergebnis: Milch hat für die Gesundheit grundsätzlich mehr positive als negative Effekte. 

Bei vielen Krebsarten konnte bei der groß angelegten Betrachtung dieser 41 Studien kein Zusammenhang zwischen dem Milchkonsum und dem Auftreten einer Krebserkrankung gefunden werden. Bei anderen konnten mögliche Auswirkungen nicht einheitlich festgestellt werden.

Vor allem bei Prostatakrebs gibt es Hinweise, dass ein hoher Milchkonsum vermutlich das Risiko und Wachstum erhöhen könnte.

Ein anderes Bild zeigt sich bei Darmkrebs. Hier scheint es, als würde ein geringer täglicher Konsum von Milchprodukten das Risiko senken.

Schlussendlich bewiesen sind all diese Hinweise jedoch noch nicht.

Eine Rolle bei der Entstehung von Krebs durch Milchkonsum könnte zudem ein eventueller Erreger in der Milch spielen. Er wurde noch nicht eindeutig nachgewiesen. Es wird vermutet, dass er eine Krebserkrankung viele Jahre nach der Infektion auslösen kann, vor allem aufgrund von Entzündungsprozessen, die dann über lange Zeit im Körper stattfinden.

Hinweis: Am Ende des Artikels findest Du Details zu den Forschungsergebnissen!

Grundsätzlich kannst Du für Dich folgende Erkenntnis ableiten: Milchprodukte in normalen täglichen Mengen sind ok und zur Versorgung Deines Körpers mit Nährstoffen gesund. 

So sehen es auch die Fachleute der Deutschen Krebshilfe und fassen den aktuellen Wissensstand folgendermaßen zusammen: Milchprodukte sind unbedenklich, wenn sie nicht im Übermaß verzehrt werden.

Empfehlung: So kannst Du mit Milchprodukten umgehen

Zu den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen passen auch die Orientierungswerte der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, die den täglichen Verzehr von Milchprodukten empfiehlt:

Eine gute Menge stellen demnach 200 bis 250 ml Milch, sowie 50 bis 60 Gramm Käse pro Tag dar. Die Milch kannst Du auch in anderer Form zu Dir nehmen, wie Joghurt. Dann gilt die gleiche Angabe in Gramm: 200 bis 250.

Beachte: Diese Werte dienen der Orientierung und sind nicht dazu da, auf das Gramm genau erreicht zu werden.

Noch ein Tipp: Du kannst fermentierte Milchprodukte wie Joghurt, Kefir oder Buttermilch bevorzugen – hierzu gibt es Hinweise, dass sie das Risiko von Typ-2-Diabetes senken könnten.

Zahlen & Fakten – der Forschungsstand im Detail

Ergebnisse der Betrachtung von 41 Studien

Bei folgenden Krebsarten konnte keine Auswirkung durch Milchkonsum festgestellt werden:

  • Gebärmutterkrebs
  • dem Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre
  • Leberkrebs
  • Lungenkrebs
  • dem follikulären Lymphom
  • beim kleinen lymphatischen Lymphom bzw. der chronischen lymphatischen Leukämie und
  • beim Bauchspeicheldrüsenkrebs

Bei folgenden Krebsarten fanden sich Hinweise auf einen Einfluss, sie sind jedoch nicht ausreichend bewiesen:

  • Prostatakrebs: Der Verbrauch von je circa 200 ml Milch pro Tag könnte das Risiko bzw. das Wachstum von Prostatakrebs leicht, um etwa 3 Prozent, erhöhen. Die Fachleute halten fest, dass vor allem ein hoher täglicher Milchkonsum einen negativen Einfluss zu haben scheint.
  • Zudem zeigte sich, dass hoher Milchkonsum einen Effekt auf die Entstehung des diffusen großzelligen B-Zell-Lymphoms und bei Magenkrebs haben könnte.
  • Bei Blasenkrebs, Brustkrebs, Eierstockkrebs und beim Non-Hodgkin-Lymphom konnten die Auswirkungen nicht einheitlich festgestellt werden, da in den Studien die Art oder Dosis der Milch uneinheitlich war.
  • Hilft Milch gegen Darmkrebs? Eher positive Nachrichten gibt es bei Darmkrebs – ein moderater Konsum von Milch scheint das Erkrankungsrisiko um etwa 10 Prozent, also um einen recht kleinen Wert, zu verringern.

Beginn der Forschung zu einem neuartigen Erreger in der Milch

Im Jahr 2019 stellten Krebsforscherinnen und -forscher aus Heidelberg eine weitere Hypothese auf, wie Milch das Krebswachstum fördern könnte. Sie fanden Hinweise auf einen neuartigen Erreger in der Kuhmilch. Der Erreger soll in manchen Körpergeweben eine chronische Entzündungsreaktion auslösen können. Betroffen sollen vor allem der Dickdarm, vielleicht auch die Brust und Prostata sein.

Laut den Forscherinnen und Forschern soll die chronische Entzündung die Entstehung von Krebs fördern, der allerdings erst nach Jahrzehnten zum Ausbruch kommt.

Beachte: Es handelt sich aktuell um unbewiesene Hinweise aus der Grundlagenforschung, von denen keine Handlungsempfehlungen abgeleitet werden können. Weitere Studien sind nötig. Das Bundesamt für Risikoforschung merkte ebenfalls an, dass die mögliche Förderung des Krebswachstums nicht bewiesen ist.

Zusammengefasst

Grundsätzlich ist nach derzeitigen Forschungsstand der mäßige Konsum von Milch(-produkten) völlig unbedenklich im Hinblick auf Deine Krebserkrankung. Nach aktuellem Wissensstand sind die positiven Effekte von Milch auf die Gesundheit größer als mögliche negative Effekte.

Teils gegensätzliche Hinweise aus Studien zu Prostatakrebs und Darmkrebs ändern nichts an dieser grundsätzlichen Empfehlung. Als Orientierung können die Werte der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) genutzt werden. Täglich kannst Du 200 bis 250 ml bzw. g Milch und Milchprodukte und 2 Scheiben (50 – 60 g) Käse bedenkenlos zu Dir nehmen.

Das kannst Du tun

  • Du kannst täglich eine moderate Menge Milch und Milchprodukte bedenkenlos zu Dir nehmen.
  • Bevorzuge fermentierte Milchprodukte wie Joghurt, Kefir oder Buttermilch.

Quellen

  • Deutsche Krebshilfe, Ist Milch krebserregend?, Juli 2020, krebshilfe.de, abgerufen am 11.04.2022 von www.krebshilfe.de
  • Zhang, X., Chen, X., Xu, Y., Yang, J., Du, L., Li, K., & Zhou, Y. (2021). Milk consumption and multiple health outcomes: Umbrella review of systematic reviews and meta-analyses in humans. Nutrition & Metabolism, 18(1), 7. doi.org
  • de Villiers, E.-M., & Zur Hausen, H. (2021). Bovine Meat and Milk Factors (BMMFs): Their Proposed Role in Common Human Cancers and Type 2 Diabetes Mellitus. Cancers, 13(21), 5407. doi.org
  • Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Einsatz von Milch und Milchprodukten in den DGE-Qualitätsstandards im Kontext von Altersgruppen und einer nachhaltigen Ernährung, Januar 2021, www.dge.de
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Geschrieben von Dr. Volker Henn
Medizinischer Autor
Dr. Volker Henn ist Biochemiker und war lange in der Grundlagenforschung tätig. Heute arbeitet er als freier Wissenschaftsautor in Berlin. Neben dem Thema Krebs beschäftigt er sich vor allem mit Gen- und stammzelltherapien.
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