Fachliche Prüfung: Dr. Christian Keinki
Veröffentlicht am 1. November 2023
In diesem Artikel erfährst Du
- was bei einem Eiweiß-Mangel im Körper passiert
- wie viel Eiweiß Du pro Tag brauchst
- wie Du Deinen Bedarf deckst
Alle Deine Körperzellen bestehen aus Eiweiß. Dazu zählen auch Muskelzellen und die Immunzellen. Zahlreiche Abläufe in Deinem Körper funktionieren nicht ohne Eiweiß.
Wenn Du zu wenig Eiweiß oder Energie insgesamt zu Dir nimmst, stellt Dein Körper selbst Eiweiß bereit. Dein Körper nimmt dann Eiweiß aus Deiner Muskulatur. Das schwächt Dich!
Das sind die möglichen Folgen von Eiweiß-Mangel:
- körperliche Schwäche
- stärkeren Nebenwirkungen Deiner Krebstherapie und dadurch auch höhere Wahrscheinlichkeit für Therapieunterbrechungen
- Störungen der Wundheilung und des Immunsystems
Wie viel Eiweiß solltest Du pro Tag aufnehmen?
Fall 1 – wenn Du aktuell eine Krebserkrankung hast
Du solltest eine Eiweiß-Aufnahme von 1,2 bis 1,5 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht anstreben. Finden in Deinem Körper aufgrund der Erkrankung gerade viele Entzündungsprozesse statt? Dann kann Dein Bedarf sogar bei bis zu 2,0 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht liegen.
Bitte beachte: Manche Erkrankungen, wie z.B. eine Nierenerkrankung, machen es nötig, dass die grundsätzlich empfohlene Eiweißzufuhr ganz genau auf Dich und Deine Situation abgestimmt werden. Sprich deshalb mit Deinem Behandlungsteam, bevor Du Deine aktuelle Eiweißzufuhr änderst.
Fall 2 – wenn Du nach Abschluss einer Therapie tumorfrei bist
Nun gelten für Dich die Empfehlungen für gesunde Menschen. Die Empfehlung ist leicht unterschiedlich für ältere Menschen:
- Unter 65 Jahren: Zu empfehlen sind 0,8 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht am Tag.
- Ab 65 Jahren: Empfehlenswert sind 1 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht am Tag.
So kannst Du Deinen Eiweißbedarf ausrechnen
Beispiel-Rechnungen:
- Eine Person, die 65 kg wiegt und aktuell an Krebs erkrankt ist, rechnet:
65 mal 1,2 ist 78.
Oder:
65 mal 1,5 ist 97,5.
Der Bedarf liegt hier also gerundet zwischen 80 und 100 Gramm Eiweiß pro Tag. - Ist die Person stark durch die Erkrankung belastet und hat viele Entzündungsreaktionen im Körper, dann rechnet sie:
65 mal 2 ist 130.
Der Bedarf an Eiweiß wäre nun also 130 Gramm am Tag. - Eine Person, die 65 kg wiegt und nicht erkrankt ist, rechnet:
65 mal 0,8 ist 52.
Hier ist der Bedarf 52 Gramm Eiweiß pro Tag.
Einen Online-Rechner findest Du hier.
Beachte: Du musst Deine Eiweißzufuhr nicht aufs Gramm genau einhalten. Es hilft aber, wenn Du ungefähr Deinen Bedarf kennst und weißt, wie Du ihn deckst.
So kannst Du den erhöhten Eiweißbedarf während der Erkrankung decken
Jemand, der 65 kg wiegt, braucht während einer Krebserkrankung ungefähr 35 Gramm Eiweiß mehr als zuvor. Das entspricht fast einer vollwertigen Mahlzeit!
Wichtig:
Folgende Tipps sind keine persönliche oder medizinische Empfehlung. Sie können die Beratung mit einer staatlich anerkannten Ernährungsfachkraft nicht ersetzen. Da jeder Mensch in einer anderen Situation ist, solltest Du testen, was Dir bekommt und welche Tipps für Dich in Deiner Situation hilfreich sind. Außerdem solltest Du Dein Behandlungsteam immer über Deine Maßnahmen auf dem Laufenden halten.
35 Gramm Eiweiß stecken zum Beispiel in folgenden Beispiel-Mahlzeiten:
Beispiel 1:
- 100 Gramm Schinken oder Camembert mit
- 1 Ei (Größe L) und
- 2 Brötchen
Beispiel 2:
- 150 Gramm Hackfleisch mit einer Portion Reis (65 gr roh)
Hier kannst Du eine Liste mit Eiweiß-Gehalt häufiger Lebensmittel ansehen, herunterladen oder sogar ausdrucken. Dann hast Du sie immer griffbereit.
Du schaffst die empfohlene Menge nicht?
Sprich mit Deinem Behandlungsteam. Es kann Dir beispielsweise eiweißreiche Drinks verschreiben oder Dich an eine Ernährungsberatung weiterleiten.
Kannst Du auch zu viel Eiweiß zu Dir nehmen?
Es gibt nicht viele aussagekräftige Studien, die die Wirkung von übermäßiger Eiweißzufuhr bei Krebs untersuchen. Diese wenigen Studien zeigen keinen großen negativen Einfluss. Aber Du hast keinen Vorteil, wenn Du viel mehr Eiweiß zu Dir nimmst, als Du brauchst. Überschüssiges Eiweiß transportiert Deine Niere ab. Wichtig ist dann, dass Du auch genug trinkst.
Zusammengefasst
Während einer Krebserkrankung braucht Dein Körper mehr Eiweiß. Deshalb ist es wichtig, dass Du weißt:
- wie viel Eiweiß täglich in Deiner Situation empfehlenswert ist
- welche Maßnahmen Du ergreifen kannst, wenn Du nicht genug Eiweiß aufnehmen kannst
Das kannst Du tun
- Sprich mit Deinem Behandlungsteam über Deinen Eiweißbedarf und wenn Du Probleme hast genug Eiweiß zu Dir zu nehmen.
- Wende Dich an Fachleute aus dem Gebiet der Ernährungsmedizin. Zum Beispiel hilft Dir eine professionelle Ernährungsberatung.
- Zudem sind folgende Maßnahmen hilfreich:
- Berechne Deinen Eiweißbedarf.
- Achte auf Eiweiß in allen Deinen Mahlzeiten.
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Quellen
- Arends, J., Bertz, H., Bischoff, S.C., Hermann, H. J., Holm, E., Horneber, M., Hütterer, E., Körber, J., Schmid, I. und das DGEM Steering Committee. (2015). S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V. (DGEM) in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie e. V. (DGHO), der Arbeitsgemeinschaft „Supportive Maßnahmen in der Onkologie, Rehabilitation und Sozialmedizin“ der Deutschen Krebsgesellschaft (ASORS) und der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für klinische Ernährung (AKE) Klinische Ernährung in der Onkologie. Aktuel Ernahrungsmed, 40(05), 1-74. dx.doi.org
- Bertz, H. und Zürcher, G. (2014). Ernährung in der Onkologie: Grundlagen und klinische Praxis, Schattauer GmbH.
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung in Deutschland e.V. (2021). Ausgewählte Fragen und Antworten zu Protein und unentbehrlichen Aminosäuren. dge.de
- Elmadfa, I., Muskat, E., Fritzsche D., Meyer A.L. (2019) Nährwert-Kalorien-Tabelle, Die große GU: Neuausgabe 2020/21 (4. Edition). Gräfe und Unzer Verlag GmbH.Vaupel, P. und Biesalski H.K. Proteine. In Biesalski, H.K., Bischoff, S.C., Pirlich, M., Weimann, A. Ernährungsmedizin, Georg Thieme Verlag KG. dx.doi.org